Sexszenen in der Literatur

Die Poesie des Ehebruchs

Foxy stürzt sich mitten in der Schwangerschaft in eine Affäre. Mit wachsendem Bauch steigert sich die Leidenschaft zur hemmungslosen Gier. Aus John Updikes „Ehepaare“.

Der stämmige, rothaarige Piet steht voll im Saft. Mit seinem Truck tuckert er durch die Landschaft und besucht die verheirateten Frauen der Umgebung. Er liegt mit ihnen auf Blechdächern rum, führt tiefgründige Gespräche und vögelt, was ihm vor die Lunte kommt. Das gipfelt in der Beziehung zur schönen Foxy, die gerade ihr erstes Kind erwartet. Piet ist besessen von Foxys schwangerem Körper.

Er dachte an Foxy: ein Dunst, ein Flaum, eine Erinnerung an pudrige Achselhöhlen, Lippen erst trocken, dann feucht, das weiche pelzige Tal unten an ihrem Rücken, aus dem seine Daumen den Schmerz wegmassierten, der von der Bürde des Kindes kam, ihre korallenen Brustwarzen, steil vom Spiel seiner Fingernägel, ihr verschleierter und doch wachsamer Blick. Sie verlor alle Struktur, war schutzlos dem klagenden Drängen seines Samens preisgegeben. Ich missbrauche dich.

Nein. Hör nicht auf.

Ich möchte kommen.

Ja, komm. Ich kann diesmal nicht. Komm, Piet.

Wirklich? Du magst es? Sie nickte stumm, mit vollem Mund. Ihre Zunge streichelte ihn flatternd, bis er siedete, ihre Hand half nach. Oh, ist das gut. Schluck mich. Sie schluckte ihn.

Der Sommer zieht dahin, voller Hurerei und Verzweiflung. Es naht der Herbst und Foxy bringt das Kind zur Welt. Piet fühlt sich betrogen um den schwellenden Körper seiner Geliebten. Sie treffen sich auf einer Party bei Freunden auf der Toilette. Piets Frau Angela kommt plötzlich die Treppe hoch mit einem dringenden Bedürfnis…

„Warte. Bitte. Lass mich deine Brüste sehen.“ – „Sie sind voller Milch.“

„Ich weiss. Nur einen Augenblick. Ich brauche es so.“

Sie horchten, ob jemand die Treppe heraufkam: nichts. Nur die Musik unten und der Fernsehmonolog. Ihr Mund öffnete sich, als sie hinter sich griff, um den Verschluss aufzuhaken, und rot wie Störfleisch schlüpfte ihr die Zunge auf die Unterlippe. Kleid und Büstenhalter schälten sich herab. Frucht.

„O mein Gott.“

Sie errötete. „Ich komme mir so plump vor.“

„So geädert und voll. So hart an den Spitzen, hier.“

(…)

„Still mich.“

„O mein Liebling, nein.“

„Still mich.“

Erschreckt bedeckte sie die eine Brust, aber er war schon niedergekniet und hatte sich mit seinem grossen Mund an der anderen festgesaugt. Beim ersten Schluck schmeckte das dickliche träge Sickern eckelerregend süss. Das Badezimmerlicht brannte ihm auf den Liedern, und es war, als würde sein Innerstes in tiefes, fliessendes Rosa getaucht bis hinab zu seinen schmerzen Kniescheiben auf dem eisigen Fliesenboden. Foxys Hand schmiegte sich stützend  um die Wölbung seines Hinterkopfes, steuerte ihn tiefer in ihren Strom oder gab ihm, indem sie sein Ohr berührte, zu verstehen, dass er ihr wehtat. Er öffnete die Augen: kirschrot sprang die Spitze der anderen Brust zwischen schützend darübergewölbten Elfenbeinfiguren hervor. Er schloss die Augen. In kleinen Stössen pulste die unerlaubte Nahrung gegen seine Zunge, sein Zahnfleisch. Foxy spielte mit seinem Haar, er streichelte ihren stoffbedeckten Hintern, ertrank fast in ihrem Rosa.

Wie Felsgestein schlug ein Klopfen gegen die unverschlossene Tür handbreit hinter ihnen. Gleissende Helle überflutete ihn. Er sah wie Foxys beringte Hand nach der anderen Brust fasste und deren unwillkürliches Fliessen auffing. Und im gleichen melodischen Tonfall wie vorhin rief sie: „Einen Augenblick bitte!“

Angelas klare höfliche Stimme antwortete:“ O pardon, Foxy, lassen Sie sich Zeit!“

„Vielen Da-ank!“ sang Foxy zurück und warf Piet einen panischen fragenden Blick zu. Ihre nackten Brüste riesige Kreise. Eine Christensklavin, zur Folter entblösst.

Angst donnerte in seinem Körper. Seine Hände zuckten, als würde sie von einem Marionettenspiel bewegt, aber sein Gehirn machte eine Blitzaufnahme von dem hellerleuchteten Raum, der ihm zu Falle geworden war. Es gab keine zweite Tür. Die Duschkabine hatte zwei Scheiben aus Milchglas; seine Umrisse würden zu sehen sein. Ein kleines Fenster war da, der Sims etwa in Brusthöhe. Es hochzuschieben, würde Lärm machen: er bedeutete Foxy, sie solle die Wasserspülung betätigen. Als sie sich vorbeugte und die Hand nach dem verchromten Hebel ausstreckte, veränderte sich die Form ihrer Brüste; sie hingen jetzt nach vorn, lang und spitz zulaufende Euter, aus denen es trübweiss niedertröpfelte.

Er schob den verrosteten Riegel zurück und stemmte das Fenster hoch, während langsam das Wasser strudelte und weggesogen wurde, setzte dann seinen Fuss im schwarzen Abendschuh auf den Rand der Badewanne und hievte sich, mit dem Kopf voran, in das Viereck aus schwarzer Nacht. Er sah Bäume draussen, Ulmen, aber keine Reichweite. Seine Hände fanden nur senkrecht abfallende Holzflächen und eisige, von Sternen durchstochene Luft. Zu spät erkannte er, dass er mit den Füssen voran hätte hinausklettern sollen; er musste springen. Dies war die baumschattige, die ländliche Seite des Hauses. Weiches Gras. Die Toilette hatte zu rauschen aufgehört – kein Lärm mehr, der das Scharren und Rascheln übertönt hätte, das er beim Umdrehen machte. Foxy kam auf den Gedanken, beide Wasserhähne voll aufzudrehen. Als nächstes musste sie logischerweise die Tür öffnen und Angela hereinlassen. Piet schob sich rückwärts aus dem Fenster. Foxy stand vor den rauschenden Wasserhähnen und starrte ihn an, während sie sich mit einem purpurnen Waschlappen abwusch und die Corsage des Silberkleides wieder zuhakte. Ihm war, als lächelte sie.

Die erotischen Szenen in diesem Roman werden von den minutiös ausgearbeiteten Charakteren getrieben. Man leidet mit Piet, der seine Triebe nicht in den Griff bekommt und in diese aussichtslose Abhängigkeit von einem schwangeren Leib schlittert. Gleichzeitig stösst er einem ab mit seiner Rücksichtslosigkeit und seinem triebgesteuerten Verhalten.

Der Roman als Ganzes besteht nicht nur aus der Piet-Foxy Geschichte, er ist viel breiter – ein komplexes psychologisches Portrait von Beziehungen in einer gelangweilten Gesellschaft. Auch wenn sich die Welt seit den 60er Jahren stark gewandelt hat, die Probleme von Paaren; die Gedanken, die in den Dialogen aufgeworfen werden, haben nichts an Aktualität eingebüsst.

Mit diesem Roman ist John Updike schlagartig bekannt geworden. Er ist grossartig geschrieben, farbig und tiefgründig, verlangt aber die Bereitschaft, sich auf eine Sprache einzulassen, die weit ausschweift. Die Innenleben der Hauptakteure werden seziert, verschmelzen mit der Landschaft, so lange bis der Lesende selbst mittendrin sitzt, in diesem Strudel aus Belanglosigkeit, Begierde und Betrug.

Ehepaare von John Updike, neueres Cover
Ehepaare von John Updike, altes Cover